Podiumsdiskussion in Erbendorf: Wenig Geld und viele Baustellen

| Onetz

Im brechend vollen Kolpinghaus in Erbendorf treten drei Bürgermeisterkandidaten vor über 350 Bürgern zur Podiumsdiskussion an. Weil nicht alle Zuhörer in den großen Saal passen, wird spontan ein Public Viewing im kleinen Saal organisiert.

Punkt 19.30 Uhr öffnet sich die Eingangstür. Ein Strom an Menschen schiebt sich durch das Treppenhaus. SPD-Kandidat Jochen Neumann und sein Mitbewerber Bernhard Schmidt von den Freien Wählern bilden an der oberen Eingangstür ein Zweier-Spalier. Sie wirken konzentriert, sind aber "ein bisschen nervös". CSU-Konkurrent und Zweiter Bürgermeister Johannes Reger lässt ein wenig auf sich warten. Als er kommt, gibt er sich cool: "Ich bin nicht aufgeregt."

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Speedrunde: Eine Minute Zeit zu Antworten

Hilde Kohr sitzt in der ersten Reihe und lost aus, in welcher Reihenfolge in der Aufwärmrunde jeweils 60 Sekunden lang geantwortet werden darf. Diese Etappe gewinnt der SPD-Kandidat. Die Frage lautet: Warum bin ich der Richtige?

Jochen Neumann braucht 45 Sekunden, um seine Vorzüge zu skizzieren: Berufliche Erfahrung, ein neues Miteinander in der Stadt, eine höhere Wertschätzung der Arbeit im Rathaus und einen anderen Blickwinkel auf die kommunalpolitische Entwicklung. Johannes Reger (CSU) nutzt die Minute aus, um seine politische Vernetzung auch auf Kreisebene, das Durchdenken von Sachverhalten sowie die Einbindung in die Vereinsarbeit in den Vordergrund zu stellen.

Der Freie Wähler Bernhard Schmidt will die Chance auf Veränderung beim Schopf packen. Unverbraucht möchte er vertrauensvoll mit allen Beteiligten zusammenarbeiten und sie in Entscheidungsprozesse besser als bisher einbinden.

Endlich Gas geben

Nach einer unterhaltsamen Aufwärmrunde ist Schluss mit lustig bei der Veranstaltung, die Oberpfalz-Medien und die Kolpingsfamilie gemeinsam auf die Beine gestellt haben. Los geht es mit Bauen und Wohnen. Seit' an Seit' versichern die Hauptpersonen auf der Bühne, Projekte voranzutreiben und Baugebiete auszuweisen. Neidvoll blickt so mancher Erbendorfer nach Kemnath, wo die Geschäftswelt einen lebendigeren Eindruck macht. Auch hier bedauert das Trio, dass es einst mit einem Drogeriemarkt nicht geklappt hat. Alle drei Bewerber wollen sich aber dafür die Hacken ablaufen. Das dürfte aber nicht so einfach werden, weil die Gehsteige zum Teil in einem erbärmlichen Zustand sind. Jochen Neumann und Bernhard Schmidt sichern rasche Abhilfe zu. Auch Johannes Reger will sich dem nicht verweigern, stellt aber die Frage: "Wo kriege ich das Geld her?" A propos Finanzen: Vielen Bürgern erschließt sich nicht das Konstrukt von städtischem Haushalt, Stadtwerken und der Steinwald Gastro Bau & Betriebs-GmbH, die als rechtlich eigenständige Firma Projekte für die Stadt abwickelt.

Das Areal "Brückelpoint" wird als Beispiel angeführt, das für 50 Millionen Euro aus dem Boden gestampft und schließlich an einen Münchner Investor verkauft wurde. "Hier stecken keine Steuergelder drin", beteuert Reger. "Das zahlt sich selbst ab." Nicht so optimistisch gibt sich Schmidt. "Wenn nach 20 Jahren ein 15-Millionen-Euro-Kredit abbezahlt sein sollte, haben wir keinen Zugriff mehr auf die 55 Häuser für amerikanische Familien." Jochen Neumann will "einzelne Zweige auf den Prüfstand stellen".

Große Sorgen machen sich Schmidt, Reger und Neumann um die Geriatrie, obwohl sie nach den Worten des Zweiten Bürgermeisters der "Goldesel der Kliniken AG" ist. Augenblicklich fürchten sich alle vor dem Ergebnis der Planungen.

In der Stadt und den Ortsteilen der hoch verschuldeten Kommune sind Straßen teils marode, teils gefährlich. Vor allem die Thanner Straße gilt als Problem, weil viele Autofahrer zu flott unterwegs sind. "Digitale Mess-Tafeln sind bestellt", weiß Zweiter Bürgermeister Reger.

Potenzial und Personal

Touristisch sieht Jochen Neumann große Defizite. Erbendorf habe Zukunft, wenn das Potenzial des Steinwalds ausgeschöpft werde. Personell müsse im Rathaus aufgerüstet werden. Privatunterkünfte müssten gefördert werden, die Gastronomie in Schwung kommen. In dieselbe Kerbe schlägt Bernhard Schmidt. Johannes Reger setzt auf mehr Privatinitiative.

Freibad erhalten

Spannend wird's beim Freibad. Droht die Schließung, wenn das Schulschwimmbad gebaut wird? "Das Freibad wird in jedem Fall erhalten", verspricht Neumann. In Ermangelung von Zahlen zu den Betriebskosten hätten die Freien Wähler schon früh gegen das neue Projekt gestimmt, erinnert sich Schmidt. Für Reger hat ebenfalls das bestehende Objekt Priorität. Auch im Publikum hebt kaum jemand die Hand für die Halle.Fazit: Es gibt viel zu tun. Aber wer darf es richten? Bernhard Schmidtgibt sich offensiv und kämpferisch. Jochen Neumannpunktet mit sachlichen Analysen und trockenem Humor. Johannes Regererntet Zustimmung, weil er auf "bewährte Konzepte" setzt. Gewinner beim Schlussgong um 23.30 Uhr ist auf alle Fälle das Publikum.

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Wind(kraft) aus den Segeln genommen

Im Vorfeld der Podiumsdiskussion hatten die Erbendorfer Gelegenheit, Fragen auf digitalem und analogem Weg bei Oberpfalz-Medien einzureichen. Die Bürger nahmen das Angebot zahlreich wahr. Der überwiegende Teil der Zuschriften betraf „Windkraft im Hessenreuther Wald“. Wie würde sich Befürworter Bernhard Schmidt schlagen, der zum einen Geschäftsführer der „Neue-Energien-West eG“ mit Sitz in Grafenwöhr ist und dazu noch familiäre Bande mit der Planungsfirma „Natural Energie Solutions“ in Schadenreuth hat. Der mit höchster Spannung erwartete Themenkomplex ist weit weniger emotional aufgeladen als erwartet. Der Kandidat der Freien Wähler setzt unumwunden auf alternative Energien. Er würde gerne sehen, dass sich auch im Steinwald Windräder drehen. Schmidt aber gibt sein Ehrenwort. „Darüber wird in einem Bürgerentscheid entschieden.“ Dafür gibt es Zustimmung von Freund und Feind. Grundsätzlich hat Jochen Neumann (SPD) nichts gegen Windenergie, „aber 250 Meter hohe Windräder haben im Steinwald nichts zu suchen“. Im Zweifelsfall müssten sowieso die Bürger eingebunden werden und der Stadtrat müsste sich an dieses Votum halten. Auf einer etwas anderen Schiene fährt Zweiter Bürgermeister Johannes Reger: Er fragt: „Macht Windenergie bei uns Sinn?“ Aus finanziellen und ökologischen Gründen halte die CSU nicht an der Windkraft fest. Die Bürger hätten es selbst in der Hand beziehungsweise auf dem Dach, regenerative Energien auf dem privaten Sektor voranzubringen. Reger verspricht: „Wir stimmen nicht für Windräder auf dem Hessenreuther Berg.“ Moderator Wolfgang Benkhardt installiert ein „Applauso-Meter“. Hier halten sich Gegner und Befürworter von Windrädern geräuschtechnisch die Waage.

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Weitere Fragen und Antworten:

Ministerpräsident Markus Söder hatte in seiner Jugend ein Franz-Josef-Strauß-Poster an der Wand. „Was hing bei euch?“, fragt Moderator Wolfgang Benkhardt. „Kein Pirelli-Kalender“, antwortet Johannes Reger, „sondern ein Kreuz“. Jochen Neumann gesteht schmunzelnd, dass in seinen jungen Jahren auch ein Strauß-Plakat hing, dessen Partei er vor langer Zeit zugeneigt war. Und worauf richtete Bernhard Schmidt seinen Blick? „Auf einen Fendt und Bon Jovi.“

"Was ist euer Lieblingsplatz in Erbendorf?", fragt Moderator Wolfgang Benkhardt in die Runde. „In meinem Keller. Da ist es ruhig“, antwortet Jochen Neumann im Unterhaltungsteil auf die Frage, wo er sich am liebsten aufhält. Johannes Reger bevorzugt den eigenen Balkon, während Bernhard Schmidt gerne daheim bei seiner Familie und natürlich im Feuerwehrhaus ist.

"Was macht ihr am 4. Mai?", wollte Wolfgang Benkhardt zudem wissen. Am Montag, 4. Mai, ist der erste Arbeitstag des neuen Bürgermeisters. Wenn Johannes Reger das Rennen macht, will er zunächst einen Rundgang über den Bauhof ins Rathaus machen. Konkrete Vorstellungen zum Auftakt hat Jochen Neumann: „Sollte ich nicht gewählt werden, bleibe ich in meinem Kämmerchen im Rathaus, wenn ich gewählt werde, gehe ich ein Stockwerk höher.“ Pragmatisch sieht’s auch Bernhard Schmidt. Nach einer Stippvisite im Bauhof will er sich im Rathaus auf viele Bürgerbesuche freuen.

Quelle: ONetz

Podiumsdiskussion zur Bürgermeisterwahl 2020 in Erbendorf Teil 3 auf YouTube

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